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Die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten ist auf dem besten Wege, in Vergessenheit zu geraten. Das sollten wir nicht zulassen.
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Die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten ist auf dem besten Wege, in Vergessenheit zu geraten. Das sollten wir nicht zulassen.
Für mich – ich bin ein sehr gläubiger Christ – war und ist Weihnachten ein ganz besonderes Fest. Es erweckt dieses Gefühl von Wärme und Geborgenheit, ganz besondere Erinnerungen an Kindheit und Familie. Ich habe große Freude daran, wenn wir alle (unsere Familie ist sehr groß) an den Feiertagen zusammenkommen, miteinander feiern, singen und die Weihnachtsgeschichte erzählen. Schon erstaunlich: Wir feiern nicht mehr, als die Geburt eines Kindes. Aber auch nicht weniger. Denn dieses Kind hat die Welt verändert. Und es ist schon bemerkenswert: Wir feiern in unseren warmen Stuben mit Geschenken und leckerem Essen, dass in einem Stall in einfachen Verhältnissen der Sohn Gottes geboren wurde. Hinter all dem Glanz der Weihnacht verbirgt sich die Bedeutung von Demut und Bescheidenheit. Ich nehme mir immer wieder vor, diese Demut im Alltag als Glaubender, als Vater, als Ehemann, Freund und Unternehmer auch zu leben. Und viel zu oft muss ich leider akzeptieren, dass es mir trotz guter Vorsätze nicht gelingt. Weihnachten gibt mir wie kein anderes Fest im Jahr die Zeit, mich darauf zu besinnen, wie wichtig Demut und Dankbarkeit sind. Ich würde mir wünschen, dass im Alltag unserer Gesellschaft dieser Tage mehr von diesem Geist der Weihnachtszeit zu spüren wäre. Doch je genauer ich hinsehe, desto größer ist meine Sorge, dass dieser Geist verloren geht.
Weihnachten ist doch die Zeit des Gebens und des Teilens, und der Austausch von Geschenken symbolisiert die Freude daran. Ich selbst schenke wahnsinnig gerne – dabei sollte es ja gar nicht um materielle Aufmerksamkeiten gehen, sondern darum, für andere da zu sein und Menschen in Not zu helfen. In unserer Zeit – so ist zumindest mein Gefühl – geht die Bedeutung der Menschlichkeit im vorweihnachtlichen Konsumrausch völlig unter.
Und plötzlich war sie da, diese etwas absurde Frage, die sich aber zwangsläufig ergibt, wenn man sich derzeit beruflich mit Robotik und künstlicher Intelligenz beschäftigt: Wie würde man einer künstlichen Intelligenz Weihnachten schlüssig erklären?
Wichtig für mich ist zum Beispiel, dass es an Weihnachten um die Bedeutung von Liebe und Mitgefühl geht. Also darum, anderen mit Wärme und Zuneigung zu begegnen, Familie und Freunde wertzuschätzen und sich um die Bedürfnisse anderer zu kümmern. Da wundere ich mich dann schon, wenn ich etwa lese, dass eine Hamburger Kindertagesstätte Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen einen Mann gestellt hat, der einen Weihnachtsbaum und Geschenke als Überraschung für die Kinder auf das Gelände gebracht hat. Die Begründung: Die Kita wollte auf dieses Symbol verzichten, um die Religionsfreiheit zu bewahren. Klingt für mich nach einem Widerspruch! Aber selbst, wenn ich diese Haltung tolerieren wollte – eine Strafanzeige gegen den Schenker macht deutlich, dass die handelnden Personen in der Kita den Geist der Weihnacht kaum verstanden haben können. Ob nun mit oder ohne Baum!
An Weihnachten sollte uns doch der Geist der Versöhnung lenken. Aber was für die einen der Christbaum-Symbol-Streit ist, ist für die anderen der Rosenkrieg. In kaum einer anderen Zeit im Jahr trennen sich so viele Paare oder lassen sich scheiden! Nach einer Statistik der Universität Stanford sind es insbesondere die Tage vor Heiligabend, in denen besonders viele Beziehungen auseinander gehen. Weihnachten bezeichnen wir doch ursprünglich als eine Zeit des Friedens und der Besinnlichkeit, eine Zeit des Nachdenkens über das vergangene Jahr, über persönliches Wachstum und die Werte, die im Leben wichtig sind. Wir sollten in dieser Zeit Konflikte wenigstens ruhen lassen und besser beilegen, uns versöhnen und um Verständnis bemühen. Das gilt sowohl in persönlichen Beziehungen als auch im gesellschaftlichen Miteinander. Aber wie sieht die Welt um uns herum aus, in diesen Tagen? Von Versöhnung ist wenig zu sehen.
Würden diese Widersprüche für große Verwirrung sorgen, weil eine Zeit des Miteinanders und der Liebe von so viel Stress, Krieg und Ärger geprägt ist? Wie wollen wir einer KI das Bild von einem Weihnachten vermitteln, das schon für uns Menschen nicht mehr wirklich nachvollziehbar ist? Wie erkläre ich einer wissbegierigen künstlichen Intelligenz diese riesige Lücke, die sich zwischen all den Weihnachtsgeschichten und unserem wirklichen Leben auftut? Und wie erklären wir es unseren Kindern?
Aber wirklich wichtig ist eine andere Frage: Lässt sich der Geist der Weihnacht, wie er ursprünglich gemeint war, wiederbeleben? Ich denke: Ja! Ich bin überzeugt, dass jeder etwas dafür tun kann. Schon kleine Gesten helfen. Bei NEURA Robotics haben wir auf dem Firmengelände einen Raum in eine Kirche umgewidmet und jetzt in der Vorweihnachtszeit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingeladen, dort gemeinsam in eine besinnliche und friedvolle Weihnachtsstimmung zu kommen.
Natürlich ist die ursprüngliche Bedeutung von Weihnachten für jeden Christen, die Geburt Jesu zu feiern. Und dennoch wird Weihnachten auch in nicht-christlich geprägten Ländern gefeiert. Überall in der Welt zelebrieren auch atheistische Familien dieses Fest – mit Adventskranz, Weihnachtsbaum und allem drum und dran. Ich kenne einige Leute, die sich nicht als gläubig bezeichnen und dennoch an Heiligabend in die Kirche gehen – um mit den Kindern das Krippenspiel zu sehen. Warum ist das so? Weil Weihnachten mit seinen Symbolen inzwischen weit mehr als ein Teil des christlichen Glaubens ist. Es ist fester Bestandteil unserer westlichen Kultur. Weihnachten ist Tradition! Für die westliche Gesellschaft ist Weihnachten eben ein Fest der Liebe.
Für mich hat der Geist von Weihnachten etwas Universelles – kann ihn nicht jeder auf der Welt verstehen? Und wäre es nicht wünschenswert, dass wir das Fest der Liebe zum Anlass nehmen, den KIs, die immer mehr über unsere Welt lernen, eine andere Seite von uns zu zeigen? Etwas, das die Informationen und Daten aus dem Internet, wo es viel um Gewalt und Zerstörung geht, nicht vermitteln können? Nämlich, dass wir uns trotz allem nach einer besseren Welt und Menschheit sehnen.
Die Geburt Jesu steht dabei für mich als Hoffnungsschimmer für diese Sehnsucht. Weihnachten erinnert mich daran, dass trotz Herausforderungen und Problemen auch Freude und Hoffnung in unserer Welt existieren und dass positive Veränderungen möglich sind. In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein besinnliches Weihnachtsfest!