Bin ich ein überheblicher Krimineller? Oder: Wie ich wirklich über Elon Musk denke.

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Headlines von Artikeln sollen uns zum Klicken animieren. Oft sind sie inhaltlich zumindest irreführend, manchmal vermitteln sie sogar das Gegenteil vom Inhalt des Textes.

Deshalb möchte ich hier mal ganz unmissverständlich schreiben, was ich wirklich von Elon Musk halte und wie ich ganz privat über ihn denke.

David Reger
Vom Strafvollzug zur Robotik

Headlines von Artikeln sollen uns zum Klicken animieren. Oft sind sie inhaltlich zumindest irreführend, manchmal vermitteln sie sogar das Gegenteil vom Inhalt das Textes. Das hat mir schon diverse besorgte oder empörte Anrufe beschert. Zum Beispiel als factorynet.at ein Interview mit mir so überschrieb: »Vom Strafvollzug zur Robotik«. Natürlich ging es nicht darum, wie ich nach Beendigung einer kriminellen Laufbahn und dem Absitzen einer Gefängnisstrafe ein Robotik-Unternehmen gegründet habe. Die Überschrift spielte auf meine Zeit in San Francisco an, wo ich als Sozialarbeiter im Strafvollzug Obdachlosen und Kriminellen geholfen hatte, ihr Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Aber viele Nachbarn und Freunde hatten eben nicht die Zeit, den ganzen Artikel zu lesen. Und kürzlich, Mitte Februar 2023, veröffentlichte Automations Praxis einen Artikel über mich. Von 1081 Wörtern schienen ausgerechnet jene am besten für den Titel geeignet, die mich als überheblichen Besserwisser beschreiben: »Elon Musk hat keine Ahnung von Robotik«

Also gut, streng genommen habe ich das genau so gesagt. Allerdings mit einem Lachen und noch so einigen zusätzlichen Worten. Die Frage war ja, ob wir es als Start-up tatsächlich mit Elon Musk aufnehmen wollen. Und da hatte ich wörtlich geantwortet:

»Ja, klar. Denn Elon Musk hat keine Ahnung von Robotik, weil er damit gerade erst anfängt. In vielen deutschen und europäischen Forschungs-Instituten habe ich schon bessere humanoide Roboter gesehen. Ich bin hundertprozentig davon überzeugt, dass wir mit der Robotik in Deutschland technologisch viel besser aufgestellt sind, vor allem in Sachen Hardware. Man darf sich von Elon Musks Marketing nicht täuschen lassen.«

Natürlich ist auch mir nicht entgangen, dass Elon Musk vor nicht allzulanger Zeit auch keine Ahnung von Autos hatte – und heute lacht bei Audi & Co niemand mehr über ihn und den Erfolg von Tesla.

Ich wollte im Interview deutlich zu machen, dass wir jetzt, hier und heute in Europa einen ernstzunehmenden Vorsprung in Sachen Robotik-Expertise haben. Denn aktuell ist Elon Musk nur im Marketing besser als wir. Sollten wir natürlich in Deutschland und Europa auch diesen Zug verpassen – das ist mir absolut bewusst – wird uns das Silicon Valley auch in diesem Bereich locker abhängen. Dann kämen die ersten autonomen Serviceroboter – also die ersten Smart Phones mit Armen und Beinen – genauso aus den USA, wie im Grunde alles, was heute unseren Alltag prägt.

Besiedlung des Mars? Wer würde hier in Deutschland überhaupt wagen, so etwas laut auszusprechen!

Deshalb möchte ich hier mal ganz unmissverständlich schreiben, was ich wirklich von Elon Musk halte und wie ich ganz privat über ihn denke. Unabhängig davon, dass wir derzeit beim Thema humanoide Roboter im Wettbewerb stehen.

Ich habe nämlich höchsten Respekt und ein Stück weit sogar Bewunderung dafür, wie es der Tech-Visionär immer wieder schafft, Menschen und Investoren für seine großen Ideen zu gewinnen, seien sie auch noch so verrückt. Satelliten-Internet überall auf der Welt? Besiedlung des Mars? Wer würde hier in Deutschland überhaupt wagen, so etwas laut auszusprechen!
Persönlich glaube ich zwar fest daran, dass wir zuerst die Probleme auf unserem Planeten lösen sollten, ehe wir den Mars besiedeln, aber das ist meine persönliche Haltung. Dies wäre eine Frage der Prioritäten, über die ich gern mit Elon persönlich streiten würde. Streitbar ist Elon Musk vor allem in jüngster Zeit ohne Frage. Allerdings finde ich es durchaus anerkennenswert, öffentlich gegen den Strom des Zeitgeistes zu schwimmen. Das ist absolut notwendig in einer pluralistischen Gesellschaft und war zumindest in Vergangenheit eher das Alleinstellungsmerkmal bedeutender Erfinder, Forscher und Philosophen.

Hat es neben Elon Musk eigentlich irgend ein anderer Mensch geschafft, derart viele scheinbar unrealistische Ideen tatsächlich unternehmerisch zum Laufen zu bringen? Ich meine nicht multinationale Konzerne, sondern einzelne Unternehmerpersönlichkeiten. Insofern ist der Unternehmer Musk für mich vor allem eines: ein Vorbild. Und wenn ich hier mal komplett ehrlich sein darf, dann bin ich sogar ein bisschen neidisch auf sein Verkaufstalent. Hätten wir Elon Musk bei NEURA Robotics an Bord, könnten wir unser enormes Tempo ziemlich sicher nochmal deutlich erhöhen. Und ich hätte überhaupt nichts dagegen, wenn es schon bald einen Tesla Haushaltsroboter mit dem Label »NEURA inside« beim Media Markt zu kaufen gäbe. Da die Energieversorgung eine der großen Herausforderungen bei humanoiden Robotern ist, könnten wir zweifellos von Teslas Erfahrung mit großen Batterien profitieren.

Ich will hier eines ganz klar zum Ausdruck bringen: ich bin ein Partner-Mensch. Und da würde ich bei Elon Musk keine Ausnahme machen. NEURA Robotics ist von Beginn an mit einem kooperativen Vertriebsansatz auf alle großen Robotik-Unternehmen der Welt zugegangen. Und viele, deren Konkurrenten wir hätten werden können, sind stattdessen heute unsere Partner.

Also zurück zu dieser Überschriften-Sache. Das sogenannte Click-Baiting. Wer in der Öffentlichkeit steht, muss damit leben, inhaltlich auf Überschriften reduziert zu werden. Vermutlich erlebt Elon Musk das sehr viel öfter als ich. Aber deswegen würde ich ungern beginnen, jedes meiner Worte auf die Goldwage zu legen. Ich zähle deshalb weiterhin auf alle, die sich trotz medialer Überflutung noch die Mühe machen, einen Artikel bis zu Ende zu lesen – ehe sie sich eine Meinung bilden.

Blick über die Schulter einer Journalistin auf David Reger