Elon Musk ist unbestritten einer der einflussreichsten und disruptivsten Unternehmer unserer Zeit. Mit X.com, dem Vorgänger von PayPal, revolutionierte er den Zahlungsverkehr. Mit Tesla rüttelte er die in über 100 Jahren festgefahrene Automobilindustrie wach. Und mit SpaceX bewies er, dass selbst die scheinbar unerschütterlichen Strukturen der US-Raumfahrtbehörden aufgebrochen und mit Ingenieurskunst und geschicktem Marketing von der Privatwirtschaft in den Schatten gestellt werden können.
Seit er X (ehemals Twitter) übernommen hat, mischt Musk nun auch in der Meinungsbildung aktiv mit und inszeniert sich als Retter der freien Rede. Das finden manche gut und für andere ist es ein Grund zur Empörung. Doch während über seinen Stil und seiner Aussagen gestritten wird, bleibt das Wesentliche vielfach unbeachtet: Das Warum. Musk verfolgt eine klare Mission. Und diese lautet derzeit: America First.
Musk ist ein Stratege!
Musk denkt strategisch – auch bei seinen Äußerungen. Seine jüngsten Kommentare zu Deutschland und der AfD sollten wir also nicht als unbedachten Einwurf interpretieren, sondern als kalkulierten Schachzug. In einem Land wie unserem, das bereits von innenpolitischen Debatten und Spaltung geprägt ist, kann ein gezielter Kommentar das Chaos verstärken.
Indem Musk sich zur deutschen Politik äußert, spielt er auf zwei Ebenen:
Erstens: Er nutzt die derzeit gespaltene Meinungslandschaft in Deutschlands. Musk weiß, wie leicht hierzulande Empörung entsteht. Jedes Mal, wenn sich deutsche Politiker und Medien über seine Einmischung aufregen, verstricken wir uns tiefer in Diskussionen, die uns lähmen. Je größer die Empörung, desto weniger politische Handlungsfähigkeit bleibt für die wichtige Dinge in Deutschland. Deutschland verliert als Marktteilnehmer und Verhandlungspartner an Bedeutung – ein klarer Vorteil für die Agenda „America First“.
Zweitens: Er lenkt von Problemen in den USA ab: Musk weiß genau, dass Europa in vielen Bereichen überlegen ist: Wir bauen noch immer bessere Autos und Maschinen, haben effektivere Gesundheits- und Sozialsysteme und inzwischen auch die sichereren Flugzeuge. Doch indem er den Fokus auf unsere Probleme lenkt, wie Migration, wirtschaftlichen Niedergang oder vermeintlich eingeschränkte Redefreiheit lenkt, stärkt er in den USA seine zentrale Erzählung: „Zu viel Staat ist schlecht.“
Ob diese Sichtweise korrekt ist, möchte ich hier nicht bewerten. Doch es ist offensichtlich, dass Musk ein Interesse daran hat, unsere soziale, vom Staat regulierte Marktwirtschaft als ineffizient darzustellen. Damit erhöht er seine eigene Glaubwürdigkeit in den USA und sorgt gleichzeitig dafür, dass Europa als Verhandlungspartner geschwächt wird.
Gelähmt durch Selbstblockade
In den USA war und ist geopolitische Strategie der Motor für wirtschaftlicher Stärke. Institutionen wie die CIA entwickeln Studien und Szenarien, die weit über den nächsten Wahlzyklus hinausgehen. In Deutschland hingegen fehlt ein solcher strategischer Motor. Bei uns wirkt Außenpolitik häufig wie ein Nebenprodukt wirtschaftlicher Interessen. Wir konzentrieren uns auf Exportmärkte und kurzfristige Gewinne, ohne eine langfristige Strategie zu verfolgen. Die Folge ist eine strategische Lähmung, die andere Mächte – insbesondere China – ausnutzen. Chinesische Unternehmen haben über Jahre von Europas Gier nach Wachstum und Rendite profitiert, während das „Land der aufgehenden Sonne“ seine eigene Wirtschaft vor ausländischem Einfluss schützte. Heute erkennen wir, dass sich Deutschland in vielen Dingen einseitig von China abhängig gemacht hat. Fehlende Medikamente, stockende Lieferketten und der Preisdruck bei Schlüsseltechnologien werden im geopolitischen Machtspiel zu unserem Nachteil.
Ein zentrales Problem Europas – und Deutschlands im Speziellen – ist das Fehlen einer klaren Identität und Zielsetzung. Wer sind wir? Was wollen wir erreichen? Und wie kommen wir dahin? Statt uns diesen Fragen zu widmen, klammern wir uns an alte Strukturen und verlieren uns in moralischen Debatten oder politischen Machtkämpfen. Unsere Demokratie funktioniert – aber wir sind gebremst vom Festhalten an Privilegien und dem Streben, es allen Recht zu machen. Wir weigern uns, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und grundlegende Reformen anzugehen. Diese Situation, unsere Selbstblockade, wird von außen genau beobachtet – und gezielt genutzt.
Eine Lektion für Europa: Weniger reagieren, mehr agieren
Musk demonstriert, wie effektiv ein klarer Plan und entschlossenes Handeln wirken. Das ist eine Lektion, die wir lernen müssen! Statt uns zu Empören, sollten wir daraus eigenes strategisches Denken ableiten. Wir müssen in Europa endlich den Mut finden, uns auf gemeinsame Ziele zu einigen und unsere Stärken zu nutzen. Die Vielfalt unserer Kulturen, unsere wirtschaftliche Kraft und unsere Innovationsfähigkeit könnten uns zu einem globalen Player machen. Doch dafür müssen wir alte Denkmuster aufbrechen und uns der Realität stellen. Ein Europa, das geschlossen auftritt, hätte das Potenzial, auf Augenhöhe mit den USA und China zu agieren – nicht als „Schleppboot“ im Fahrwasser fremder Interessen.
Fazit: Elon Musks Kommentare zur deutschen Politik sind weder ein unüberlegter, diplomatischer Ausrutscher noch bloßer Meinungsaustausch. Sie sind Teil einer durchdachten Interessenpolitik. Statt uns darüber aufzuregen, dass Musk unsere Schwächen offen anspricht, was das Land weiter spaltet, können wir ihm den Wind aus den Segeln nehmen und die Dinge selbst beim Namen nennen und Lösungen präsentieren. Das gelingt natürlich nur mit einer klaren Vision und entschlossenem Handeln. Nur so können wir verhindern, dass andere unsere Uneinigkeit für ihre Zwecke nutzen – und stattdessen unsere eigene Zukunft auch selbst gestalten. Vielleicht ist das ein kühnes Ziel, aber der Gedanke klingt verlockend: Europa First.