Energiekrise – außer Spesen nichts gewesen? 

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Vor ein paar Monaten habe ich bei diesem Anblick noch an Blackouts gedacht und mich gefragt, wie wir durch den Winter kommen.

Natürlich bin ich weder Börsenprofi noch Energiemarkt-Spezialist. Und vielleicht verstehe ich auch alles ganz falsch. Das sind ja nur Gedanken, die mir durch den Kopf gehen.

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Wenn ich im Metzinger Büro aus dem Fenster schaue, fällt mein Blick direkt auf ein Umspannwerk – mit seinen riesigen Transformatoren – ein wichtiger Knotenpunkt für die Energieversorgung hier in der Region. Vor ein paar Monaten habe ich bei diesem Anblick noch an Blackouts gedacht und mich gefragt, wie wir durch den Winter kommen.

Alles hat damit begonnen, dass uns plötzlich das Gas ausgehen sollte. Jetzt hält es der Chef der Bundesnetzagentur laut Spiegel Online für unwahrscheinlich, „dass diesen Winter noch etwas schief geht“. Derzeit scheint es, als würden von der Energiekrise vor allem höhere Strom- und Gaspreise für uns alle bleiben. Die Bundesregierung rühmt sich, das Schlimmste vermieden zu haben, da das Ziel erreicht wurde, die Gasspeicher buchstäblich um jeden Preis zu füllen. Ja, koste es, was es wolle. Erst die Hamsterkäufe der Regierungen hätten zu den hohen Preisen am Energiemarkt geführt, liest man. Die Regierungen entgegnen, ohne diese Hamsterkäufe hätten Spekulanten die Situation für sich nutzen können. Dann wäre alles bei kälteren Temperaturen noch viel schlimmer und teurer geworden. Wer hat recht? Wir werden es nie erfahren. Wer jedoch die Zeit findet, einen Schritt zurückzutreten und die ganze Sache auf sich wirken zu lassen, der wird unweigerlich auf die Idee kommen, dass Energie nie wirklich knapp war oder ist, sondern dass es immer nur um ihren Preis geht. Wieso kündigen ausgerechnet viele der Billig-Anbieter die Strom- oder Gaslieferverträge mit Endverbrauchern?

Vielleicht, weil diese Anbieter teils keine wirklichen Energieunternehmen sind, sondern einfache Händler. Sie kaufen auf der einen Seite bestimmte Mengen Strom, die sie auf der anderen Seite mit Gewinnaufschlag verkaufen. Wenn nun am Energiemarkt die Preise in fantastische Höhen schnellen, während die langfristigen Verträge mit Privathaushalten deutlich niedrigere Einnahmen bringen – nun, was würde ein guter Unternehmer machen, der im Auftrag seiner Aktionäre Profit machen soll? Er windet sich aus den langfristigen, plötzlich weniger lukrativen Verträgen heraus und verkauft den Strom an den Meistbietenden. Wir erleben schlicht die logischen Auswirkungen der Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte (2005-2007).

Die Preise für viele Dinge der Grundversorgung – vom Getreide bis eben zum Strom – werden ja schon seit langem nicht mehr von Angebot und Nachfrage geregelt, sondern durch Akteure an den Handelsbörsen – die selbstverständlich auf maximale Gewinne spekulieren. 

Natürlich bin ich weder Börsenprofi noch Energiemarkt-Spezialist. Und vielleicht verstehe ich auch alles ganz falsch. Das sind ja nur Gedanken, die mir durch den Kopf gehen. Aber genau darauf will ich hinaus. Wie oft haben wir oder nehmen wir uns noch die Zeit, einen Schritt zurück zu treten und das große Ganze zu betrachten? Sollten wir in solchen Krisen nicht ganz besonders umsichtig sein und einerseits vorausdenken, aber auch schauen, wo die Krise ihren wahren Ursprung hat? Natürlich werden jetzt einige von Euch sagen: Putins Angriffskrieg ist doch die Ursache! Und natürlich spielt das voll mit hinein. Aber ist es wirklich die Ursache für unsere hohen Gas- und Strompreise, oder nur ein fataler Auslöser, der das Fass zum Überlaufen brachte? Wenn Putins Krieg an den Energiepreisen schuld ist, wieso sind in einem globalisierten Energiehandel dann die Preise in den USA niedrig geblieben? 

Wie oft nehmen wir uns noch die Zeit, einen Schritt zurück zu treten und das große Ganze zu betrachten?

Ich will euch sagen, warum mich das so beschäftigt. Wir bauen ja mit Neura Robotics ein internationales Unternehmen auf – und da spielt die Standortfrage immer eine Rolle. Die hohen Energiepreise drohen unsere deutsche Wirtschaft endgültig aus den Angeln zu heben und viele Unternehmen in den Abgrund zu reißen. Da will ich nicht dazugehören. Aber auch uns bei Neura hat das Thema kalt erwischt. Erst Anfang des Jahres 2022 hatten wir entschieden, die Produktion aus China zurück nach Deutschland zu holen. Wir haben das kalkuliert: Es würde kostengünstiger, effizienter, qualitativ hochwertiger sein, die Roboter in Deutschland zu fertigen. Auch unsere Zulieferer sitzen in Deutschland. Wir haben also nur Vorteile gesehen.

Doch nun, durch die deutlich höheren Preisen für Energie, ist es fraglich, ob unsere Rechnung noch aufgeht. Die Computer der Entwickler laufen nahezu rund und die Uhr, Robotik-Teststationen und die Produktion der Cobots ziehen viel Strom. Mit steigenden Energiekosten werden auch alle Komponenten teurer, die wir herstellen. Aber soll ich mich jetzt an unserem Stromzähler festkleben? Wir versuchen lieber, Lösungen zu finden. Unsere Gebäude in der Industriestraße in Riederich werden mit PV-Anlagen ausgerüstet. Wir holen so viel Strom wie möglich von den Dächern und was übrig bleibt, schicken wir in Batteriespeicher. Mein Ziel ist, die Mehrkosten für Strom über Solarenergie aufzufangen, so autark wie möglich zu werden. Doch diese Möglichkeit hat nicht jeder Unternehmer. Und ein privater Haushalt schon gar nicht. Und für die Wärmeversorgung in unseren Produktionshallen gibt es kurzfristig auch keine Alternative zum Gas.

Ich möchte den Politikern auf allen Ebenen gern vertrauen, dass sie Lösungen finden, damit wir und andere Unternehmen nicht unter einer Kostenwelle begraben werden. Doch ich stelle infrage, dass das derzeitige politische Handeln in diesen Dingen von langfristigen Überlegungen und einem Blick aufs große Ganze getragen ist. Da wird an den Problemen mit viel Geld  kurzfristig herumgedoktert – aber ich beobachte keine Debatte über die seit langem wirksamen Ursachen.

Auch wenn es in jüngster Zeit etwas aus der Mode gekommen ist, sich zu den christlichen Werten unserer westlichen Kultur zu bekennen, möchte ich das hier wieder einmal tun und unsere Verantwortungsträger auf eine spannende Bibelstelle hinweisen. Einfach, weil sie zum Nachdenken anregen kann. 

Es steht bei Johannes 8 Vers 6: “Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem ­Finger auf die Erde“. Und da ist er nicht bei einem netten Strandspaziergang mit Freunden, sondern inmitten einer hitzigen Debatte mit neunmalklugen Provokateuren, umgeben von einer Menschentraube. Und auf dem Höhepunkt dieses Schlagabtausches entscheidet er, den verbalen Attacken nichts zu entgegnen. Er entzieht sich der Situation für einen Moment, malt im Sand, geht in sich, gewinnt Abstand und zwingt alle Umstehenden für einen Moment Abstand zu gewinnen.   

Wir müssen gegenwärtig aufpassen, dass diese Leute, die sich irgendwo festkleben, nicht zum perfekten Bild für unsere Gesellschaft werden. Kleben wir uns nicht an unseren Problem fest – schaffen wir sie lieber aus der Welt! Wir sollten die aktuellen Krisen endlich als Chancen wahrnehmen, statt sie fortwährend als Begründung für Dinge zu nutzen, die nicht funktionieren.

Aber dazu müssen wir vielleicht mal kurz innehalten und versuchen, den Blick für das große Ganze zurückzugewinnen.