Kleine Übung im Groß-Denken

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35 Millionen Roboter will China in den nächsten Jahren bauen. Eine Zahl macht zum Glück noch keine Vision, aber sie setzt Europa unter Druck.

Würden wir 35 Millionen Roboter auf alle Erwerbstätigen in Deutschland verteilen, hätten etwa drei von vier deutschen Berufstätigen einen Roboter-Assistenten an ihrer Seite.

35 Millionen Roboter

Die Mitteilung war kurz, knackig und an Deutlichkeit nicht zu überbieten: 35 Millionen Roboter will China in den nächsten Jahren bauen. Das ist zunächst mal nur eine ambitionierte Zahl. Aber selbst wenn die Chinesen nur 50% ihres Planes erreichen, bleibt eine Zahl, die uns herausfordert und dazu anregen sollte, endlich auch wieder größer zu denken.

Ich habe versucht, mir 35 Millionen Roboter vor das geistige Auge zu holen. Gar nicht so leicht, dafür ein Bild zu finden. Im Film „I, Robot“ gibt es eine Szene, in der fertige Roboter in einer Halle auf ihre Auslieferung warten. Die Halle im Film ist riesig und die Roboter beanspruchen die gesamte Fläche. Eine Halle von der Größe eines Fußballfeldes nach DFB-Standard hätte etwa 7.000 Quadratmeter. Wenn man pro Quadratmeter einen Roboter abstellen kann, muss man sich 5.000 solcher Hallen vorstellen, um 35 Millionen Roboter unterzubringen. Verteilt entlang des gesamten deutschen Autobahnnetzes würde aller 2,6 Kilometer eine solche Halle stehen.

Ein anderes Bild ist noch eindrucksvoller: In Deutschland sind etwa 46 Millionen Menschen erwerbstätig – gehen also irgend einer Arbeit nach. Würden wir 35 Millionen Roboter auf diese Arbeitskräfte verteilen, hätten etwa drei von vier deutschen Berufstätigen einen Roboter-Assistenten an ihrer Seite.

Wir sollten uns vor Augen führen, dass China regelmäßig mehr als 85% seiner Ziele tatsächlich erreicht. Das Riesenreich hat sich in wenigen Jahrzehnten von der wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt (nach den USA) entwickelt. Als Deng Xiaoping nach Maos Tod die Macht übernahm, leitete er mit seiner Vision „Reich zu sein ist wunderbar“ ein radikales Umdenken im Land ein. Vor gut zwanzig Jahren stand in Shanghai ein Viertel aller Baukräne der Welt. An jedem Tag wurde ein neuer Wolkenkratzer fertig gestellt! Die Magnetschwebebahn Transrapid Shanghai war gerade erst gebaut worden und bringt Fahrgäste mit einer Geschwindigkeit von 430 km/h von der City zum Pudong International Airport. Und nur zur Erinnerung: Die Technologie stammt aus Deutschland und wurde bei uns sang- und klanglos eingestampft. Wir blieben der Schiene treu und können heute froh sein, wenn unsere Züge überhaupt fahren. Eine schöne Vision für Deutschland wäre, dass bis 2030 alle Züge pünktlich sein werden. Und ich meine das echte „Pünktlich“, nicht die Schönfärberei, nach der auch 15 Minuten Verspätung noch als pünktlich gelten.

Ignore the Naysayers

Haben wir es verlernt, visionär zu sein? Der 38. Gouverneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, hielt vor Absolventen der Universität of California seine berühmte „Six Rules of Success-Speech“, die in die Geschichtsbücher einging. Regel Nummer 4 lautet: „Ignore the Naysayers – höre nicht auf Neinsager.“

Die USA hatten sich vorgenommen: „We choose to go to the moon. Not because it´s easy, because it´s hard.“ Die berühmte Vision von John F. Kennedy brachte die Menschen auf den Mond. Wer die Geschichte der Apollo-Missionen kennt, weiß: Es war tatsächlich ein  schwerer Weg mit vielen Rückschlägen, technisch so schwierig, dass wir es momentan nicht mehr hinkriegen. Doch die schließlich  erfolgreiche Mission wurde zum Triumph der Vereinigten der Staaten von Amerika und zementierte ihren globalen Führungsanspruch. Heute sind es die Entrepreneure der Hightech-Unternehmen aus dem Silicon Valley, Texas und der Ostküste, die uns immer wieder mit ihren Visionen und deren Umsetzung staunen lassen!

In meiner Zeit in San Francisco lernte ich, wie sich der „The Golden State“ zu einer der größten Volkswirtschaften dieser Welt entwickelt hatte. Erst 1850 war man in die Union der Staaten von Amerika aufgenommen worden. Damals war Kalifornien nur über den Seeweg erreichbar, was neun Monate dauerte, oder von Missouri aus über den Landweg, wozu man ein Jahr benötigte. Es entstand die Vision der  transkontinentalen Eisenbahn – Charles Crocker war ihr Vater. Ein Jahr nach dem Spatenstich waren aber erst 80 Kilometer Schienen verlegt – das Ganze schien zu schwierig, Zweifler und Naysayers triumphierten! Da sagte Crocker: „Wer hat die Chinesische Mauer erbaut? Die das geschafft hat, kriegen auch die Eisenbahn hin!“ Er holte 50 chinesische Bergleute nach Kalifornien, die Erfahrung mit Bohrmaschinen und Dynamit hatten. Sechs Monate später arbeiteten 3.000 Chinesen an der transkontinentalen Eisenbahn. Nach einem Jahr waren es 40.000 chinesische Bahnarbeiter. Nach sechs Jahren war die Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik fertig.

Denkt wieder einmal groß!

Erst kürzlich schrieb ich hier in meinem Blog über Die Macht der Vision . Auch wir in Deutschland hatten Visionäre, die Großes schufen. Carl Benz und Gottfried Daimler habe ich zitiert, und Artur Junghans, der aus der Gegend stammte, wo ich aufgewachsen bin. Er formulierte die Vision „Die Welt erwacht mit Junghans Uhren“ und schuf damit die größte Uhren- und Weckerfabrik der Welt. Think big! Denkt wieder einmal groß! Denkt größer! Denkt am allergrößten! Das ist, was wir jetzt brauchen!

35 Millionen Roboter aus China? Wir nehmen die Challenge an! Neura Robotics ignoriert die Neinsager! Es wird schwierig, es wird hart, aber wir packen es an! Wir müssen schnellstens liefern, wenn wir bei der humanoiden Robotik die Führung in der Welt übernehmen wollen. Deshalb haben wir uns bereits verpflichtet bis 2030 bis zu 5 Millionen humanoide und kognitive Roboter auszuliefern. Und das ist  noch lange nicht das Ende der Fahnenstange, sondern bestenfalls der Beginn einer neuen Ära.

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