Im Würgegriff des roten Drachens?

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Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China bestehen nicht ohne Grund so intensiv – obwohl wir schon immer unterschiedliche politische Weltanschauungen haben.

Wir leben in Zeiten, in denen Freunde und Partner quasi über Nacht zu Feinden werden. Vor allem im Osten. Natürlich rede ich von Russland. Aber auch bei den Beziehungen zu China zeichnet sich das derzeit ab.

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Beides Länder, denen wir trotz vieler Differenzen auch viel zu verdanken haben. Deshalb bereitet mir das Kopfzerbrechen.

Ich halte es für schwierig, langjährige Wirtschaftsbeziehungen, auf denen unser Wohlstand maßgeblich fußt, jetzt nur noch so einzuordnen, als ob wir uns fahrlässig in Abhängigkeiten begeben hätten. Wir haben damals Chancen genutzt, im internationalen Wettbewerb besser dazustehen.

Ja! Deutschland ist abhängig! Von allem Möglichen. Wir haben kein eigenes Öl, keine seltenen Erden, kaum Gas. Unsere Steinkohle liegt so tief unter der Erde, dass es unwirtschaftlich ist sie zu bergen. Ja, wir sind abhängig. Heute begeben wir uns eben in eine Abhängigkeit von den USA und deren Fracking Gas, dessen Gewinnung wir für derart umweltschädlich halten, dass wir sie in unserem Land verbieten. Das ist moralisch eher fragwürdig und politisch einfach eine andere Abhängigkeit, in die wir uns da begeben. Keiner kann heute wissen, ob sich auch diese Entscheidung irgendwann als Fehler entpuppt. Was zum Beispiel, wenn ein Donald Trump die nächsten US-Wahlen gewinnt und es wieder heißt: „America first“! Was werden wir dann in Deutschland tun – ohne Bodenschätze, ohne jede militärische Relevanz in der Welt – wenn wir uns mit den Russen und den Chinesen verstritten haben.

Globale Bedeutung hat Deutschland erlangt, weil unsere Technologien weltweit führend und wir als Industrienation höchst leistungsfähig waren. Insbesondere China war zunächst ein gigantischer Arbeitsmarkt, der uns half, immer billiger zu produzieren. Und dann wurde das Billiglohnland selbst zu einer Hochtechnologie-Nation – und der zweitwichtigste Absatzmarkt für deutsche Produkte. Überlebensnotwenig für viele Firmen in Europa. Unzählige Arbeitsplätze bei uns hängen da dran.

Die wirtschaftlichen Verflechtungen mit China bestehen nicht ohne Grund so intensiv – obwohl wir schon immer höchst unterschiedliche politische Weltanschauung haben. Es war vor diesem Hintergrund schon immer fragwürdig, mit China Geschäfte zu machen. Aber es hat auch den Dialog und das gegenseitige Verständnis gefördert und auf menschlicher Ebene viele Freundschaften hervorgebracht. Warum sollte ich es heute auf einmal bereuen, chinesische Partner ins Boot geholt zu haben? Natürlich muss man sich als Unternehmer Gedanken darüber machen, mit wem man Geschäfte macht und in welchem moralischen oder politischen Umfeld sich die Partner bewegen. Aber das gilt nicht nur für China. Da fallen mir noch einige Länder ein, in denen Menschenrechte mit Füßen getreten werden und die Handelsbeziehungen gehen munter weiter.

Klar war ich damals selbst skeptisch, ob die Han´s Technology Group die richtigen Geldgeber für uns sind. Und die Spannungen zwischen unseren Kulturen sind ein Thema zwischen uns. Was wir aber in diesem Dilemma tun ist, dass wir unsere Vorstellungen für ein Miteinander offen kommunizieren. Was mich absolut beruhigt ist, dass ich Han´s schon länger kenne, genauso wie den Gründer. Er ist ein Freund, der erst vor kurzem ein paar Wochen bei mir zu Hause gewohnt hat. Unsere Ideen gehen in eine ähnliche Richtung. Noch nie hat unser chinesischer Partner uns vorgeschrieben, was wir tun sollen. Ein Würgegriff fühlt sich anders an.

Und mal ehrlich: Soll ein Start-Up seinen chinesischen Kapitalgeber jetzt zum Teufel jagen, obwohl der unsere Gründung und viele Innovationen mit seiner Risikobereitschaft erst ermöglicht hat? Wir haben uns ja die Hacken abgelaufen, bei dem Versuch, hier in Deutschland einen passenden Investor zu finden. Doch gerade bei den deutschen Firmen gab es viele Vorbehalte. Und am Ende hätten wir uns immer in bestehende Konzernstrukturen einfügen müssen. Aber das passte einfach nicht zusammen. So entsteht doch nichts bahnbrechend Neues. Wir verschlafen hier in Europa die gesamte Robotik und auch andere Zukunftstechnologien, wenn wir nicht endlich die Initiative ergreifen! Und wir brauchen diese Technologien, um nicht eines Tages bedeutungslos und abhängig zu sein.

Was mir außerdem klar war: Die Chinesen sind immens aufgeschlossen gegenüber neuen Technologien, auch wenn sie (noch) nicht bis ins letzte Detail perfekt sind. Sie sind unglaublich begeisterungsfähig, wenn es um Robotik geht. Das ist eine riesen Möglichkeit für uns, in ganz kurzer Zeit wirtschaftlich erfolgreich zu werden. Neura hat beispielsweise für den chinesischen Markt ein Gerät zum Brustkrebs-Screening entwickelt. Vielleicht wird dieses Gerät auch irgendwann in Deutschland die Früherkennung von Krebs voranbringen. In diese Richtung müssen wir doch denken. Oder aber wir kapseln uns von allen ab, die nicht so denken wie wir. Das wäre wenigstens konsequent. Dann sind aber auch keine Beziehungen zu Syrien oder Qatar drin. Denn sonst outen wir uns als Opportunisten, die sich wie Fähnchen im Wind drehen. Das birgt die Gefahr, irgendwann ohne Partner dazustehen. Ich sage Partner, weil nicht jeder Partner unbedingt ein „Freund“ sein muss. Man muss sich nur aufeinander verlassen können. Und wenn wir das Ganze politisch betrachte, komme ich zu dem Schluss: Wenn wir jetzt radikal immer mehr Tore dichtmachen, wird das am Ende allen schaden. Den anderen und uns selbst. Ich denke, es ist viel besser, dass wir versuchen, mit allen zu reden und mit allen einen Weg zu finden. Ängste überwinden, statt Tore zu schließen – so gehe ich das an. Und natürlich machen wir Verträge, um unser Knowhow zu schützen.

Die Neura Robotics GmbH war und ist ein deutsches Unternehmen, selbst wenn chinesische Gesellschafter derzeit einen Mehrheit halten. Doch diese Gesellschafter-Zusammensetzung wird sich stark verändern. Wir sind derzeit inmitten einer weiteren Investmentrunde und arbeiten an unserer Traumkonstellation. So viel kann ich verraten: Wir wollen Neura wieder mehrheitlich in deutschen bzw. europäischen Händen wissen, aber dabei ein globales Unternehmen bleiben, das mit allen Seiten kooperiert und Know-How teilt. Denn letztendlich geht es um Zukunftstechnologien für die gesamte Menschheit, überall auf dem Globus. Unabhängig davon, in welche politischen oder religiösen Systemen sie hineingeboren sind.